Gesichtsverlust bei Facebook

Irgendwie ist es allen bewusst: Facebook ist nicht so ganz koscher.
Aber andererseits hat es so viele praktische Funktionen und macht es so einfach mit all den Menschen in Kontakt zu bleiben, für die ich im real life nicht genug Zeit aufbringen würde, weil sie mir nicht wichtig genug sind.
OK das war jetzt gemein. Aber Fakt ist doch, dass Facebook eine üble Datenkrake ist und mit unseren Profilen ein riesen Geschäft macht.

Viele beruhigen sich damit, dass sie ihre Privatssphäreeinstellungen ja einstellen können und dann nur noch ihre Freunde an ihre Informationen ran kommen.
Und Facebook.
Kein Problem: “Als Wohnort habe ich Bahamas angegeben” und auch die anderen Daten werden zum scheinbaren Schutz verfälscht. Dann weiß auch Facebook nichts über mich.
Nichts?
Oh nein! Definitiv nicht nichts.
Wusstet ihr, dass Facebook oft weiß, auf welchen anderen Seiten ihr surft, während im gleichen Browser Facebook geöffnet ist? Und hat euch noch nie gewundert, dass der “like”-Button auch ohne Eingabe eines Facebook-Passwortes funktioniert? Das sind Infos, die ich zwar auch vor Facebook verbergen könnte (z.B. indem ich die entsprechenden Cookies deaktiviere etc.), aber da die meisten davon gar nicht wissen, können sie auch nichts dagegen tun. Die denken dann weiterhin, ihre falschen Angaben zu Studienfach und co würde Facebook verwirren.
Und dann gibt es da noch die ganzen Daten, die meine Freunde über mich preis geben. Indem sie Fotos hochstellen oder unbedarft oder sogar unwissentlich meine Daten bekannt geben. Sogar dann, wenn ich gar nicht bei Facebook angemeldet bin.

Rena Tangens hält Laudatio für BBA Preisträger Facebook

Facebook bekommt BigBrotherAward. (Foto: Matthias Hornung, CC-by-sa)

Und auch das ist noch nicht das schlimmste.
Die wertvollsten Informationen sind nämlich die Verbindungen zu anderen Menschen. Meine Freunde sagen eine Menge über mich aus. Und wer hat schon mehr Fake-Freunde als richtige in seinem Facebookaccount? Schließlich sind die es ja, die auch vollen Zugriff auf die privaten Informationen kriegen.
Warum sind diese Infos besonders wertvoll? Vielleicht kennt ihr das aus dem echten Leben: Man kopiert eine Eigenschaft einer Freundin, übernimmt eine Formulierung eines Freundes in den Sprachgebrauch und man folgt generell den Empfehlungen der eigenen Freunde sehr gerne. Freunde haben einen gewissen Einfluss auf uns und gerade deshalb ist die Information darüber, wer unsere Freunde sind, besonders wertvoll. Das ist nichts neues: Sehr effektive Werbemethode sind Empfehlungen von Leuten, die man kennt. Wenn ich über derart vollständige Vernetzungsinformationen verfüge, wie Facebook, kann ich auch leicht die Knotenpunkte herausbekommen. Welche zweitausend Menschen muss ich erreichen, damit diese für mich die anderen Millionen überzeugen? Das ist sehr bequem. Und viel billiger als herkömmliche Werbung. Und es muss nicht bei Werbung aufhören. Schließlich kann man auch für politische Überzeugungen “Werbung” machen. Manipulation der Massen wird auf viel subtilere Art möglich. Sie kommt zu mir durch meine Freunde. Auf diese Art weitergesponnen, könnte Facebook zu einer Gefahr für die Demokratie werden. Und zwar allein durch die Daten, die wir nicht vermeiden können, dass Facebook sie bekommt.
Da wundert es nicht, dass Facebook an allerhöchster Stelle Schnittstellen zur CIA hat?

 

Immer wieder mal gibt es Aktionen gegen Facebook, wie gemeinschaftliches Account-löschen und so. Aber der ganz große Sturm ist irgendwie noch aus geblieben. Vielleicht müssen wir damit auch warten, bis Diaspora endlich salonfähig ist und wir eine Alternative haben. Oder wir könnten jetzt schon damit anfangen und mal wieder eine Anti-Facebook-Welle los treten.

Guter Anlass wäre auch folgendes:
Am 1. April hat Facebook einen BigBrotherAward verliehen bekommen.
Rena Tangens hat eine richtig gute Laudatio gehalten, die richtig gut auf den Punkt bringt, weshalb auch ich Facebook ablehe, auch wenn ich selbst einen Account habe. Diesen Vortrag gibt es jetzt auch auf Youtube zu sehen (Teil 2 gibts hier). Der Vortrag dauert 18 Minuten und die sind es in jedem Fall wert. (Die ganzen BBA kann man sich übrigens auch ansehen.)
Leider sind auf dem Video die Vortragsfolien nicht zu sehen. Deswegen möchte ich auf zumindest eine davon hinweisen, die sehr anschaulich zeigt, wie sich die Privatsphäre-Einstellungen bei Facebook über die Jahre verändert haben.

Ceterum censeo *Facebook*inem esse delendam.